Beschlussvorlage öffentlich - VO/2025/102
Grunddaten
- Betreff:
-
Grundsatzbeschluss über die Einführung einer Übernachtungssteuer
- Status:
- öffentlich (Vorlage freigegeben)
- Vorlageart:
- Beschlussvorlage öffentlich
- Federführend:
- Fachdienst Finanzen
- Beteiligt:
- Gleichstellungsbeauftragte; Fachbereich II Bildung, Kultur und Ordnung
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Erledigt
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Finanzausschuss
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Vorberatung
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17.09.2025
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Geplant
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Sozial-, Kultur- und Tourismusausschuss
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Vorberatung
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18.09.2025
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Geplant
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Ratsversammlung
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Entscheidung
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06.10.2025
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Sachverhalt
1. Zuständigkeit
Der Finanzausschuss ist zuständig gemäß § 3 Nr. 2 Zuständigkeitsordnung für die Vorbereitung zur Beschlussfassung durch die Ratsversammlung.
Der Sozial-, Kultur- und Tourismusausschuss ist zuständig gemäß § 4 Nr. 9 Zuständigkeitsordnung.
Die Ratsversammlung ist gemäß § 28 Nr. 2 Gemeindeordnung Schleswig-Holstein zuständig.
2. Sachdarstellung
Die Stadt Schleswig ist mit ihrer Lage an der Schlei, den Museen und Sehenswürdigkeiten, dem Holm und der Altstadt mit Dom und ihrem Freizeitangebot das Ziel von vielen Urlaubsgästen. Die Tendenz der Übernachtungszahlen ist steigend. Dies ist eine sehr positive Entwicklung, die vielen Geschäftsleuten sowie Unternehmen und damit auch der gesamten Stadt zugutekommt.
Gleichzeitig steht die Stadt Schleswig finanzwirtschaftlich – wie viele andere Kommunen auch – vor zahlreichen Herausforderungen. Insbesondere aufgrund der vielfältigen Pflichtaufgaben konnte kein ausgeglichener Haushalt 2025 aufgestellt werden. Auch die Finanzplanung der kommenden Jahre geht von weiter ansteigenden Jahresfehlbeträgen aus. Vor diesem Hintergrund besteht kaum Spielraum für freiwillige Leistungen. Mit der Haushaltsgenehmigung für 2025 wurde durch die Kommunalaufsicht die Auflage erteilt, Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung im Umfang von mind. 2,0 Mio. EUR zu beschließen. Als eine Konsolidierungsmaßnahme wurde die Verwaltung mit der Prüfung der Einführung einer Übernachtungssteuer oder Tourismusabgabe beauftragt.
3. Faktoren
3.1 Einführung Übernachtungsteuer
Der Kerngedanke, der für die Einführung der Übernachtungssteuer spricht ist, eine Ertragsquelle zu generieren, die einerseits kurzfristig einen Beitrag zur Konsolidierung des Haushaltes leistet und andererseits die Möglichkeit eröffnet, den kommunalrechtlich als freiwillige Aufgabe zu qualifizierenden Tourismussektor weiterhin zu unterstützen.
Während erst für 2025 die Grundsteuern neu berechnet und die Gewerbesteuern erhöht wurden, um dem steigenden Kostendruck zu begegnen, könnte durch die Einführung der Übernachtungssteuer künftig auch der Übernachtungsgast einen direkten Beitrag zur Finanzierung der städtischen Aufgaben wie beispielsweise dem Ausbau und Erhalt der öffentlichen Infrastruktur leisten.
Die Ermächtigungsgrundlage zum Erlass einer Satzung zur Erhebung einer Übernachtungssteuer findet sich in den §§ 1 bis 3 des es Kommunalabgabengesetzes des Landes Schleswig-Holstein (KAG) wieder. Die Übernachtungssteuer, die auch als Bettensteuer bezeichnet wird, ist eine öffentliche Aufwandsteuer, welche den Aufwand besteuert, den der Übernachtungsgast für seine Übernachtung tätigt. Besteuerungsgrundlage ist also der Übernachtungspreis ohne Verpflegung. Die Übernachtungssteuer wird als sog. indirekte Steuer erhoben. Das bedeutet, dass die Beherbergungsbetriebe die Steuerschuldner und die Übernachtungsgäste die Steuerträger sind. Insofern trägt der Übernachtungsgast die wirtschaftliche Belastung der Steuer.
Die Beherbergungsgeber haben als Steuerschuldner die Steuer von den Übernachtungsgästen zu erheben und an die Stadt Schleswig abzuführen. Dafür haben die Beherbergungsbetriebe eine Steuererklärung an die Stadt Schleswig abzugeben.
Zu den Beherbergungsbetrieben zählen insbesondere Hotels, Pensionen, Motels, Gasthöfe, Privatzimmer, Jugendherbergen, Ferienhäuser/-wohnungen, Camping- oder Reisemobilplätze, Hafenliegeplätze für Wasserfahrzeuge mit Übernachtungsmöglichkeit gegen Entgelt und ähnliche Einrichtungen, in denen Übernachtungen gegen Entgelt zu vorübergehenden Zwecken angeboten werden.
Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime, Hospize, Rehabilitationskliniken, Frauenhäuser und vergleichbare Einrichtungen, die dem Unterkommen von Personen in besonderen sozialen Situationen dienen, sind keine Beherbergungsbetriebe.
In Schleswig-Holstein haben bisher die Stadt Flensburg, die Stadt Kappeln und die Gemeinde Damp eine Übernachtungssteuer eingeführt.
Dass bisher noch nicht mehr Kommunen diese Steuer eingeführt haben, wird u.a. daran liegen, dass die Übernachtungssteuer jahrelang als eine Risikosteuer galt, weil ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängig war. Mit dem Urteil des BVerfG vom 22. März 2022 -1 BvR 2868/15-, Rn. 1-151 hat der Erste Senat entschieden, dass die Übernachtungssteuer mit dem Grundgesetz vereinbar ist, so dass diese Abgabe inzwischen als rechtssicher angesehen werden kann. Die Einführung dieser Übernachtungssteuer wird seitdem in weiteren Kommunen diskutiert.
Es gibt mehrere Möglichkeiten, den Steuersatz auszugestalten. So ist neben einem prozentualen Steuersatz auf den Übernachtungspreis auch eine absolute Steuer in gestaffelter Form denkbar.
Aufwandsteuern sollen einen besonderen Aufwand, also eine über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehende Verwendung von Einkommen oder Vermögen, erfassen. Vor dem Hintergrund, dass die Steuern nach dem Grundsatz der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erhoben werden sollen, ist ein Steuersatz, der eine prozentuale Kopplung an den Übernachtungspreis vorsieht, von der Rechtsprechung als zulässig anerkannt. Auch aus Praktikabilitätsgründen erscheint dieser vorziehungswürdig, so dass die Verwaltung einen prozentualen Steuersatz vorschlägt. Die Stadt Kappeln erhebt zum Beispiel einen Steuersatz von 5 % auf die Übernachtungsleistung.
Mit der Einführung einer Übernachtungssteuer werden von den Beherbergungsbetrieben erfahrungsgemäß Argumente gegen die Einführung benannt. Gängige Argumente sind:
Lfd. Nr. |
Argument |
Gegenargument |
1. |
Zusätzliche finanzielle Belastung für Übernachtungsgäste und Beherbergungsgeber. |
Ja, Übernachtungsgäste zahlen mehr, für Beherbergungsgeber sollte die Übernachtungssteuer – bis auf administrative Aufwendungen – nahezu kostenneutral sein. |
2. |
Sinkende Gewerbesteuereinnahmen durch sinkende Übernachtungszahlen, weil die Gäste nicht bereit sind, die Steuer zu zahlen. Gäste übernachten in Orten, die diese Steuer nicht erheben.
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Erfahrungen anderer Kommunen, die eine solche Steuer eingeführt haben, zeigen auf, dass es nicht zu einem Rückgang der Übernachtungen gekommen ist. |
3. |
Hoher Verwaltungsaufwand für die Kommune, deshalb ist es eine Bagatellsteuer, die wirtschaftlich nicht sinnvoll ist.
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Der zusätzliche Personal- und Sachaufwand finanziert sich aus den zu erwartenden Steuererträgen. |
4. |
Die Gewinnmargen bei den Vermietern sind bereits jetzt gering. Wenn noch Gäste absagen, lohnt es sich fast nicht mehr.
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Die Marge ist sicherlich bei den Beherbergungsbetrieben unterschiedlich. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass sich eine Vermietung weiterhin lohnt.
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5. |
Befürchtung von Stornierungen bereits bestehender Buchungen für 2026.
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Soweit eine noch zu beschließende Satzung zum 01.01.2026 in Kraft tritt, gilt diese für alle Buchungen danach. Buchungen bis zum 31.12.2025 unterliegen nicht der Steuerpflicht. |
Um eine erste Kalkulationsgröße für das potentielle Ertragsaufkommen für die Stadt Schleswig beziffern zu können, wurden hilfsweise Kennzahlen aus der amtlichen Statistik 2024 (Beherbergungsstätten mit 10 und mehr Betten) herangezogen. Diese Übernachtungszahlen wurden vorsichtig um Übernachtungen ergänzt, die nicht von der amtlichen Statistik erfasst werden. Eine Ertragsprognose wurde unter folgenden konservativen Annahmen getroffen:
- jährlich rd. 140.000 Übernachtungen
- durchschnittlicher Übernachtungspreis 50,00 EUR je Übernachtung
- Steuersatz 5 %
Unter Berücksichtigung der o. g. Annahmen ergäbe sich aus der Übernachtungssteuer ein Ertragspotential von rd. 350 TEUR jährlich.
Die Einführung der Übernachtungssteuer verursacht gerade zu Beginn einen größeren Personalaufwand. Nach erfolgreicher Implementierung wird allerdings auch ein dauerhafter personeller Mehrbedarf durch die neue Aufgabe „Übernachtungssteuer“ bestehen, u.a. für die Erledigung folgender Aufgaben:
- Steuerfestsetzung und -erhebung
- Bearbeitung von Stundungs- und Erlassanträge
- Aufsichts- und Kontrolltätigkeiten
- Mitwirkung bei Widerspruch- und Klagefällen
Je nach konkretem Arbeitsanfall wird dauerhaft zwischen 0,5 - 1 Vollzeitäquivalenten an Personalbedarf gerechnet.
3.2 Einführung Tourismusabgabe
Gemeinden können laufende Tourismusabgaben für Zwecke der Tourismuswerbung und zur Deckung von Aufwendungen für die Herstellung, Verwaltung und Unterhaltung der zu kulturellen und touristischen Zwecken bereitgestellten öffentlichen Einrichtungen erheben, wenn sie als Kur-, Erholungs- oder Tourismusort anerkannt sind. Die Stadt Schleswig ist nach Landesverordnung über die Anerkennung von Kur-, Erholungs- oder Tourismusorten (KurortVO) als Erholungsort anerkannt.
Die Tourismusabgabe ist ein Vorteilsentgelt. Der zu entgeltende (wirtschaftliche) Vorteil besteht in der Gewinnchance oder in der erhöhten Verdienstmöglichkeit, die sich aus dem Tourismus ergibt. Aus dem Entgeltcharakter der Tourismusabgabe folgt, dass sie einen konkreten Sondervorteil abgelten soll (Gewinnchancen bzw. erhöhte Verdienstmöglichkeiten) Die Tourismusabgabe wird von Personen oder Personenvereinigungen erhoben, denen durch den Tourismus wirtschaftliche Vorteile geboten werden, die also durch den Fremdenverkehr wirtschaftlich begünstigt werden. Die abgabenerheblichen Vorteile können unmittelbar oder auch mittelbar vorhanden sein. Unmittelbare Vorteile haben Personen, Personenvereinigungen, Unternehmen und Betriebe, die am Fremdenverkehr im Anerkennungsgebiet unmittelbar beteiligt sind; mittelbare Vorteile haben diejenigen, die mit den am Fremdenverkehr unmittelbar Beteiligten im Rahmen der für den Fremdenverkehr notwendigen Bedarfsdeckung Geschäfte tätigen. Da die Tourismusabgabe eine gemeindliche Entgeltabgabe ist, muss die mit ihr abzugeltende Vorteilsvermittlung örtlich im Gebiet der abgabenberechtigten Gemeinde verwurzelt sein. Gemeint sind ortsansässige wirtschaftliche Beteiligte.
Inhaltlich sind die Kommunen, die die Tourismusabgabe einführen wollen völlig auf sich allein gestellt. So muss zunächst der deckungsfähige Aufwand ermittelt werden, um für sich die Wirtschaftlichkeit der Einführung einer Tourismusabgabe beurteilen zu können. Darüber hinaus ist der mit einer möglichen Einführung verbundene Verwaltungs- und Kostenaufwand zu beziffern. Des Weiteren ist zu beachten, dass das Gesamtvolumen der Abgabe durch den gemeindlichen Aufwand begrenzt ist. Nach dem Kommunalabgabengesetzes (KAG) und der Rechtsprechung hat die Kommune einen Eigenanteil in Höhe von ca. 30 % zu tragen.
Mit der Tourismusabgabe dürfen keine Gewinne erzielt werden, sondern der deckungsfähige Aufwand ist jährlich durch Kalkulation des Beitragssatzes zu ermitteln. Die Aufwendungen müssen im ursächlichen Zusammenhang mit der Tourismusförderung stehen (sog. Kostendeckungsprinzip) und es sind Ober- und Untergrenzen des Beitrags festzulegen. Die Höhe der Tourismusabgabe muss zum Vorteil in einem angemessenen Verhältnis stehen (sog. Äquivalenzprinzip). Es scheiden alle Maßnahmen aus, die die Kommune im Rahmen der allgemeinen Daseinsvorsorge treffen muss.
Bei diesen Aufwendungen müsste geklärt werden:
- welche und in welcher Höhe diese als deckungsfähige Aufwände berücksichtigt werden können
- ob diese im ursächlichen Zusammenhang mit der Tourismusförderung stehen
- ob diese somit erhöhte Aufwendungen im Bereich der Tourismuswerbung und Bereitstellung öffentlicher Einrichtungen für kulturelle und touristische Zwecke darstellen
Diese Aufwendungen wären daher in besonderem Maße für Touristen attraktiv, wodurch der ortsansässigen Wirtschaft wiederum Vorteile entstehen.
Für diese Feststellungen wäre zwingend die Einbeziehung eines Gutachters erforderlich. Von dem dann festgestellten Aufwand wären ein Eigenanteil von 30% sowie die personellen und sächlichen Kosten in Abzug zu bringen. Erst danach könnten konkretere Aussagen zur Wirtschaftlichkeit der Einführung einer Tourismusabgabe getroffen werden.
Die Erhebung einer Tourismusabgabe in Schleswig würde wegen keinerlei praktischer Erfahrungen und keiner Vergleichbarkeiten in jeder Hinsicht einen immensen Verwaltungsaufwand erfordern. Bis zur ersten Bescheid-Erstellung würde für die Vorarbeiten bei vorsichtiger Schätzung mit einer Vorlaufzeit von ca. zwei Jahren, nach Grundsatzbeschluss durch die Ratsversammlung, Zeitdauer für Gutachten, Bereitstellung personeller und sächlicher Ausstattung und Erlass einer Satzung über die Erhebung einer Tourismusabgabe zu rechnen sein. Vor diesem Hintergrund kann zum jetzigen Zeitpunkt kein potentielles Ertragsaufkommen aus einer Tourismusabgabe beziffert werden.
4. Bewertung
Die Verwaltung favorisiert die Einführung der Übernachtungssteuer, weil diese
- weniger Verwaltungsaufwand verursacht
- zügig eingeführt werden könnte
- eine hohe Rechtssicherheit
und
- keine Zweckgebundenheit für den Haushalt der Stadt Schleswig aufweist.
Die Übernachtungssteuer ist eine Steuer im Sinne des § 3 Abs. 1 der Abgabenordnung. Danach sind Steuern Geldleistungen, die keine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Insofern ist eine rechtliche Zweckbindung dieser Erträge nicht zulässig.
Auch wenn Steuern haushaltsrechtlich als allgemeine Deckungsmittel qualifiziert sind, bleibt es weiterhin in der Entscheidungshoheit der Selbstverwaltung, über die Höhe von Aufwendungen zur Stärkung des Tourismusstandortes Schleswig zu beschließen.
5. Finanzielle Auswirkungen
Mittelfristig wird erwartet, dass mit der Erhebung einer Übernachtungssteuer für den Haushalt der Stadt Schleswig jährliche Mehrerträge von derzeit geschätzt 350 TEUR generiert werden könnten.
