Mitteilung öffentlich - VO/2025/103
Grunddaten
- Betreff:
-
Bericht zur ordnungsrechtlichen Unterbringung Wohnungsloser
- Status:
- öffentlich (Vorlage freigegeben)
- Vorlageart:
- Mitteilung öffentlich
- Federführend:
- Fachdienst Ordnung und Bürgerangelegenheiten
- Beteiligt:
- Gleichstellungsbeauftragte
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Geplant
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Sozial-, Kultur- und Tourismusausschuss
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Kenntnisnahme
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18.09.2025
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Sachverhalt
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Zuständigkeit
Der SKT ist gem. § 4 Abs. 2 Zuständigkeitsordnung der Stadt Schleswig zuständiger Ausschuss.
Die ordnungsrechtliche Unterbringung wohnungsloser Personen ist eine gesetzliche Pflichtaufgabe nach §§ 174 ff. LVwG SH der Stadt Schleswig und eine hoheitliche Aufgabe, die nicht an Dritte übertragen werden kann.
Für Wohnungslosen-Notunterkünfte ist dieser rechtliche Schutz in erster Linie durch die Polizei- und Ordnungsgesetze der Länder gewährleistet. Diese verpflichten die Kommunen, „unfreiwillig obdachlosen“ Menschen eine Unterkunft bereitzustellen. Es geht dabei um die Beseitigung einer akuten Gefahrenlage (der „unfreiwilligen Obdachlosigkeit“), die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt. Dabei hat sich das Verständnis, welche Schutzgüter durch die Obdachlosigkeit gefährdet sind, mit der Zeit fundamental gewandelt: Während früher die obdachlose Person als Störer für Rechtsgüter der Allgemeinheit angesehen wurde, wird nun auf die Gefährdung ihrer Grundrechte abgestellt (ihr Recht auf Leben, auf Gesundheit, auf körperliche Unversehrtheit und die Garantie der Menschenwürde Art. 1 GG) vgl. Analyse Deutsches Institut für Menschenrechte, Notunterkünfte für Wohnungslose Menschen rechtskonform gestalten, Leitlinien https://www.institut-fuer-menschenrechte.de.
Diese Gefahr müssen die Kommunen durch die Unterbringung abwenden. Sachlich zuständig ist die unterste, allgemeine Polizei- beziehungsweise Ordnungsbehörde in den Städten und Gemeinden.
Die ordnungsrechtliche Unterbringung orientiert sich außerdem an der europäischen Typologie zu Wohnungsnotfallkonstellationen, die 13 verschiedene Kategorien mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen umfasst, vgl. https://www.feantsa.org.
2. Sachdarstellung
Die Stadt Schleswig unterhält die Notschlafstätte, Fischbrückstraße 1, hinter dem Rathaus für bis zu 6 Personen. Die Unterkunft ist nach Dienstvereinbarung täglich um 09:00 Uhr zu räumen.
Außerdem unterhält die Stadt zur ordnungsrechtlichen Unterbringung wohnungsloser Personen 3 Gebäude im Ansgarweg mit insgesamt 22 Zimmern. Die Unterkunft kann derzeit aufgrund eines erheblichen Sanierungsstaus nicht vollumfänglich belegt werden. Eine Aufstockung weiterer 5 Plätze für ordnungsrechtliche Unterbringung entsteht mit dem Housing First am Ansgarweg durch den Neubau von insgesamt 15 „Wohnungen“. Die geplante Inbetriebnahme wird voraussichtlich ab Ende 2026 realisiert.
Eine Mehrfachbelegung der Zimmer in den Bestandsgebäuden ist aufgrund von komplexen Mehrfachproblemlagen (Sucht, Pflegebedürftigkeit, psychisch Erkrankung, etc.) nahezu ausgeschlossen. Durch die stetig steigenden Zahlen wohnungsloser Menschen, stellt dies auch die Stadt vor besondere Herausforderungen. Aufgrund der hohen Einrichtungsdichte in und um Schleswig (JVA, Psychatrie, Suchthilfeeinrichtungen, Fachklinken etc.) ist nicht nur ein Anstieg der Wohnungslosenzahlen zu verzeichnen, sondern auch ein deutlicher Anstieg der komplexen Mehrfachproblemlagen.
Die ordnungsrechtliche Unterbringung in den Bestandsgebäuden muss getrennt von Housing First betrachtet werden. Die Entscheidung über eine ordnungsrechtliche Unterbringung und deren Vollzug ist nicht delegierbar.
Durch RV-Beschluss VO/2023/088 hat sich die Stadt Schleswig entschieden, einen eigenen Beitrag zur Wohnungslosenprävention der Gestalt zu erbringen, dass die eigenen ordnungsbehördlichen Unterkünfte erstmals eine eigene Hausmeisterbetreuung und pädagogische Begleitung erhalten/ dies unabhängig von Housing First. Die Personalressource von 0,82 VZÄ wurde bereits beschlossen.
Durch die bisher nicht umgesetzten Pflichtaufgaben der Stadt, sowie durch einen nicht mehr zeitgemäßen Personalschlüssel besteht Handlungsbedarf, der hierfür erforderliche Personalmehrbedarf wurde mit Drucksache 2025/088 dargelegt und ist in der Übersicht der Integrierten Wohnungslosenhilfe im Ansgarweg aufgenommen.
Der Personalmehrbedarf beläuft sich auf 1,0 VZÄ.
3. Problemdarstellung
Die Zahl der wohnungslosen Menschen hat sich erhöht vgl. Wohnungslosenbericht 2024 S. 86, 87 https://www.bmwsb.bund.de. Auch der Anteil an wohnungslosen Jugendlichen beträgt Bundesweit 29 % vgl. ebd., S. 88.
Der Betrieb beider Gemeinschaftsunterkünfte entspricht nicht den gesetzlich vorgeschriebenen Mindeststandards. Dies gilt sowohl für die Unterbringung (Gebäude), als auch für die Ausstattung und den Betrieb der Einrichtungen.
Hier ist zunächst auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG) zu verweisen. Gemäß § 36 Abs. 1 für Gemeinschaftsunterkünfte ist ein Hygieneplan vorzuhalten. Dieser regelt die Art und Frequenz der Reinigung von Gemeinschaftsunterkünften. Bisher wird diese bundesrechtliche Pflicht nicht umgesetzt.
Jede*r Wohnungslose, der länger als 3 Tage in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht ist, muss mittels eines Thorax Röntgenbildes untersucht werden, um sicherzustellen, dass eine ansteckendende Lungentuberkulose ausgeschlossen werden kann (§ 36 Abs. 4, 5). Dies ist auch im Hinblick auf das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit Aufgabe der Stadt, da dort Gemeinschaftsräume bzw. sanitäre Anlagen in gemeinschaftlicher Nutzung betrieben werden. Eine Infektionsgefahr soll durch diese Pflichtaufgabe auf ein Minimum reduziert bzw. ausgeschlossen werden vgl. RKI, Infektionsschutz im Kontext Wohnungslosigkeit, vgl. https://www.rki.de.
Zu den Menschenrechten, die bei der Gestaltung und beim Betrieb von kommunalen Notunterkünften berücksichtigt werden müssen, zählen beispielsweise das Recht auf Wohnen (Art. 11 UN Sozialpakt), das Recht auf Gesundheit (Art. 12 UN-Sozialpakt) sowie das Recht auf Familienleben (Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention, Art. 16 UN-Kinderrechtskonvention, Art 17 UN Zivilpakt). Einzelne Aspekte dieser Rechte wurden durch die Rechtsprechung in Deutschland aufgegriffen und als Mindestanforderungen an die Notunterbringung formuliert. Nachfolgend werden relevante Mindestanforderungen in Bezug auf den Betrieb Ansgarweg Schleswig im Einzelnen aufgeführt.
Die Räume einschließlich der Duschen und sanitären Anlagen sind 24/7 offen zu halten und angemessen zu reinigen dies ergibt sich aus dem Grundrecht der Menschenwürde vgl. OVG NRW v. 06.03.2000 – 9 B 187/20;
hessischer VGH 11 UE 3675/88 Rn 19-20.Würzburg v. 11.11.2016 W 5 E 16.1105 Rn. 36; IfSG § 36. Die Möglichkeit, die Zimmer auch im Winter ausreichend (18 Grad Celsius* verschiedene AG´s bei Mietwhg.) zu beheizen, ist derzeit nicht gewährleistet vgl. hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urt. v. 25.06.1991- 11 UE3675/88 Rn.22. Die derzeitige „Heizung“ durch alte Heizöfen ist nicht zeitgemäß und gehört nicht zum Mindestmaß an Energie zum Heizen vgl. Bericht an den Deutschen Bundestag „Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland, S. 50, Bericht gem. § 2 Abs. 5 DIMRG.
Zur Ausstattung in den Zimmern fehlt jeweils ein Kühlschrank, sowie eine Waschmaschine zur gemeinschaftlichen Nutzung. vgl. Ruder/Bätge: Obdachlosigkeit, sozial- und ordnungsrechtliche Maßnahmen zu ihrer Vermeidung und Beseitigung, 2. Auflage 2018; VG Frankfurt v. 15.07.2024 8 L 2051/24 F; VG Würzburg v. 05.11.2020 W 5 K 19.1650.
Zu erarbeiten ist der gesetzlich vorgeschriebene Hygieneplan nach § 36 IfSG, dies ist dringend nachzuholen, um eine geeignete und infektionssichere Reinigung zu gewährleisten. Weiterhin fehlt eine Hausordnung, die konkrete Regeln für das Zusammenleben in der Gemeinschaftsunterkunft im Ansgarweg festlegt. Ohne diese Regeln haben die Bewohnerinnen und Bewohner keine Anhaltspunkte für ein mögliches Fehlverhalten und vice versa die Verwaltung keine konkrete Sanktionsmöglichkeit bei Fehlverhalten.
Die gesetzliche Verpflichtung, jede wohnungslose Person nach Unterbringung in der Gemeinschaftsunterkunft spätestens nach 3 Tagen zu röntgen, um die Infektion einer ansteckenden Lungentuberkulose auszuschließen, wird derzeit nicht durchgeführt. Die Risikoexposition ansteckender Infektionskrankheiten ist bei wohnungslosen Menschen
deutlich erhöht.
4. Bewertung
Die Unterbringung wohnungsloser Menschen durch die Stadt entspricht nicht den gesetzlichen Mindeststandards. Der bisher zugrunde gelegte Stellenanteil von bisher 0,25 VZÄ hat sich als nicht mehr zeitgemäß und auskömmlich herausgestellt. Wegen der weiteren Details wird auf die Beschlussvorlage VO2025/088 hingewiesen.
Anlagen
Nr. | Name | Original | Status | Größe |
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(wie Dokument)
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365 kB
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